Akteneinsicht

26. November 2011

Am 23.11.2011 fand auf der Grundlage einer Entscheidung des BVerwG vom 03.11.2011 eine weitere Akteneinsicht bei dem Bundesministerium der Justiz statt. Unter der Annahme, die Akten seien vollständig offen gelegt worden, fasse ich das Ergebnis zusammen. Unterstreichungen in den Unterlagen stammen dabei von Mitarbeitern des BMJ, bei Ministervorlagen von der damaligen Frau Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries.

Das Bundesministerium der Justiz hat durch das für Kindschaftsrecht zuständige Referat I A 2 den Inhalt der Entscheidung des BVerfG vom 29.01.2003 (1 BvL 20/99 und 1 BvR 933/01) in einer Leitungsvorlage vom 03.02.2003 zusammen gefasst. Darin ging es zunächst um die in diesem Urteil geforderte Übergangsregelung für Altfälle. Sodann heißt es: „Ein Entwurf für die Übergangsregelung muss daher äußerst zügig erstellt und abgestimmt werden. Daneben ist ein Forschungsvorhaben in Auftrag zu geben. Hier dürfte etwas mehr Zeit zur Verfügung stehen, (…).“ Frau Bundesministerin der Justiz Zypries hat dazu handschriftlich am Rande vermerkt: „Da müßten doch wohl vor allem erstmal die Daten über die Jugendämter erhoben werden – oder?“.  Anlage

Das zuständige Referat hat dazu mit einem Vermerk vom 14.02.2003 Stellung genommen. Es sei zutreffend, dass für die vom BVerfG geforderte Prüfung Daten fehlen, die von den Jugendämtern erhoben werden könnten, nämlich die Zahl der Sorgeerklärungen. Um den Auftrag des BVerfG zu erfüllen, würden jedoch weitergehende Daten benötigt, insbesondere welche Gründe für die Verweigerung der gemeinsamen Sorge maßgeblich sind. Frau Bundesministerin der Justiz Zypries hat dazu handschriftlich angemerkt: „wie soll das gehen? Bitte Rspr“. Anlage

Am 20.03.2003 fand eine Dienstbesprechung bei der Bundesministerin der Justiz Frau Zypries statt, die in einem Vermerk vom 25.03.2003 zusammen gefasst ist. Darin heißt es: „Ausgangspunkt der Besprechung war die von Referat I A 2 in der vorangegangenen Leistungsvorlage vertretene Ansicht, dass es zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts einer repräsentativen Elternbefragung bedürfe, da die Jugendämter die erforderlichen Daten im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung nicht erheben können (…). Frau Ministerin warf dazu die Frage auf, ob die Elternbefragung extern vergeben werden müsste oder ob sie auch vom BMJ selbst – evtl. mit Hilfe einzelner dritter Personen – durchgeführt werden könnte.“ In einer handschriftlichen Anmerkung auf Seite 4 heißt es dazu, es bestünden auf Grund bereits vorhandener Erfahrungen mit den Jugendämtern Zweifel an der Praktikabilität. Anlage

Mit einer e-mail vom 28.05.2003 wandte sich der Leiter des Referats I A 2 daraufhin an Frau Prof. Zitelmann (Universität Osnabrück) und fügte seine ersten Überlegungen für eine empirische Untersuchung (Elternbefragung) zur Umsetzung des Urteils des BVerfG vom 29.01.2003. Anlage

Mit Schreiben vom 13.05.2003 hat Herr RiAG Antonio Gimbernat Jonas, auf dessen Richtervorlage die Entscheidung des BVerfG vom 29.01.2003 zurückgeht, dem BMJ seinen Aufsatz mit Anmerkungen zu der Entscheidung des BVerfG vom 29.01.2003 übergeben, der später in der Zeitschrift „Das Jugendamt“ erscheinen sollte (und in dem alles zu diesem Urteil gesagt ist). Das BMJ hat den Inhalt mit einem Vermerk vom 22.05.2003, von dem Frau Bundesministerin der Justiz Zypries einen Abdruck erhielt, zusammen gefasst. Der Autor kritisiere das BVerfG insbesondere darin, dass es die behauptete Annahme des Gesetzgebers ohne eigene Überprüfung als richtig unterstellt habe. Der parlamentarische Staatssekretär Herr Alfred Hartenbach bat (so die handschriftliche Anmerkung auf dem Vermerk), um den Entwurf eines Dankschreibens (das am 27.06.2003 abging). Darin heißt es: „Ob das vom Gericht angenommene Mutterbild stimmt, kann aber nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht abschließend beurteilt werden.“ Anlage

Mit Schreiben vom 04.08.2003 hat Frau Prof. Zitelmann einen Vorschlag zur Durchführung der Studie gemacht und am 05.08.2003 durch e-mail übersandt. Diese e-mail ist intern mit der Bitte um Freigabe zur Vorbereitung einer Ministervorlage weitergeleitet worden. Anlage

Die Freigabe ist am 29.01.2003 erfolgt. Anlage

Unter dem Datum des 27.08.2003 ist die Ministervorlage zur Durchführung einer Untersuchung zur Erfüllung des Prüfungsauftrags des BVerfG erstellt worden. Anlage

Mit e-mail vom 01.10.2003 hat das BMJ Frau Prof. Zitelmann mitgeteilt, Frau Bundesministerin der Justiz Zypries habe noch nicht über ihr Angebot entschieden. Es solle vorher noch ein Gespräch stattfinden. Anlage

Mit einem Vermerk vom 10.10.2003 hat das Referat I A 2 Vorbereitungsunterlagen zu der Übergangsregelung übergeben, in dem auch über die Vorbereitung der Untersuchung berichtet wurde. Anlage

Mit e-mail vom 04.12.2003 hat das BMJ Frau Prof. Zitelmann mitgeteilt, die für den 12.12.2003 vorgesehene Dienstbesprechung über den Prüfungsauftrag mit der Ministerin sei auf den 17.12.2003 verlegt worden, so dass sich die Entscheidung noch einige weitere Tage verzögere. Anlage

Mit e-mail vom 16.12.2003 hat das BMJ Frau Prof. Zitelmann mitgeteilt, die Besprechung bei der Ministerin sei an diesem Tag ein zweites Mal verschoben worden. Als neuer Termin sei der 12.01.2004 festgelegt worden. Anlage

Ein Vermerk vom 16.12.2003 zur Vorbereitung dieses Gesprächs ist entsprechend auf den 12.01.2004 umgestellt worden. Mit diesem Vermerk ist Frau Bundesministerin der Justiz Zypries zur Vorbereitung der Dienstbesprechung ein Papier vorgelegt worden unter der Überschrift: Soll zum Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern ein Forschungsvorhaben durchgeführt oder der Entwurf für eine Neuregelung vorgelegt werden? Darin heißt es: „BMJ steht gegenwärtig vor der Frage, ob es den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zur Beobachtung der tatsächlichen Entwicklung erfüllt (…) oder ob Vätern nichtehelicher Kinder ohne weitere Forschung über §1626a BGB hinaus Zugang zur gemeinsamen elterlichen Sorge eröffnet werden soll“.  Anlage

Nach Auskunft des BMJ handelt es sich bei dem Vermerk vom 16.12.2003 um einen der beiden Ministervorlagen, die Grund und Gegenstand der Revision des BMJ waren.

In der Dienstbesprechung am 12.01.2004 hat Frau Bundesministerin der Justiz Zypries entschieden, es solle kein Gutachten vergeben werden. Das ist auf dem zur Vorbereitung der Entscheidung erstellten Vermerk vom 27.08.2003 vermerkt worden, dem als Anlage 1 – 5 die weiteren Unterlagen des Vorgangs beigefügt waren. Anlage

Mit Schreiben vom 22.01.2004 hat das BMJ Frau Prof. Zitelmann mitgeteilt, Frau Bundesministerin der Justiz Zypries habe entschieden, es solle ganz auf die Vergabe eines Forschungsvorhabens verzichtet und zur Umsetzung der Entscheidung des BverfG vom 29.01.2003 eine Lösung auf politischem Wege gesucht werden. Anlage

In einem Vermerk vom 22.01.2004 fasst das BMJ auf Grund der Dienstbesprechung vom 12.01.2004 die Regelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern in den EU-Beitrittsländern zusammen. Anlage

Mit Vermerk vom 01.04.2004 hat das BMJ auf Grund der Dienstbesprechung vom 12.01.2004 ein Schreiben an die Landesjustizverwaltungen vorbereitet, dem ein sogenannter Problemaufriss mit dem Titel „Empfehlen sich Änderungen des Rechts der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern?“ beigefügt war. Anlage

Mit Vermerk vom 23.04.2004 hat das BMJ entsprechend einer Entscheidung der Frau Ministerin in der Dienstbesprechung am 12.01.2004 einen Berichtspunkt für die Frühjahrskonferenz der Justizminister vom 17.-18. Juni 2004 vorgeschlagen. Anlage

Mit einem Vermerk vom 10.06.2004 hat das BMJ Frau Ministerin Zypries Informationen zu dem Tagesordnungspunkt I.11 der Konferenz der Justizminister betreffend das gemeinsame Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern zusammen gestellt. Darin heißt es: „Im Rahmen einer DB (Dienstbesprechung) am 12.01.04 hat sich Frau Minister hinsichtlich des Beobachtungsgebots des BVerfG derzeit gegen eine empirische Untersuchung entschieden – insbesondere wegen der zeitlichen Dimension einer solchen Untersuchung und wegen des Risikos, die maßgeblichen gesetzlichen Annahmen (zum geltenden §1626a BGB) mit einer Untersuchung nicht verifizieren oder falsifizieren zu können. Zudem gilt der Auftrag des BVerfG nur für den Fall, dass der Gesetzgeber am bisherigen Regelungskonzept festhalten will.“ Anlage

Mit einem Vermerk aus Juni 2004 hat das BMJ den Beschluss der Konferenz der Justizminister erfasst und dazu festgestellt: „Aus dem JuMiKo-Beschluss ergibt sich für BMJ kein Handlungsbedarf, der über die in der DB bei Frau Minister am 12.01.04 festgelegte Vorgehensweise zur Umsetzung des Urteils des BVerfG vom 29.01.03 hinausgeht. (…) Beabsichtigtes weiteres Vorgehen: Entsprechend der DB bei Frau Ministerin soll nach der Sommerpause die von der SPD-Fraktion betriebene Experten-Anhörung stattfinden (Vorbereitungen laufen). Deren Ergebnisse werden die Frage nach dem gesetzgeberischen Handlungsbedarf neu beleuchten.“ Anlage

Mit einem Vermerk aus April 2005 hat das BMJ das Ergebnis der Experten-Anhörung vom 26.01.2005 zusammen gefasst: „Die Expertenanhörung kann als ein klares Signal für eine Änderung des Rechts der elterlichen Sorge gewertet werden; (…).“ Anlage

Mit einem Vermerk vom 12.04.2006 hat das BMJ der Frau Ministerin die aktuelle Situation dargestellt und einen Vorschlag für die weitere Vorgehensweise gemacht, der darin bestand, eine Umfrage bei rechtsberatenden Stellen zu beginnen. Anlage

Mit einem Vermerk vom 20.12.2007 hat das BMJ das Ergebnis dieser ersten Untersuchung zusammen gefasst. Darauf ist handschriftlich vermerkt: „Die Auswertung der Umfrage verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Problems und stellt eine hervorragende Grundlage für eine politische Entscheidung dar.“ Dazu hat Frau Bundesministerin der Justiz Zypries vermerkt: „Vielen Dank! Sehr gute Arbeit“. Es folgt: „Wie in der Leitung am 18.1. u. danach mit Herrn A2 I besprochen: Erforderlich ist nun eine weitere, neuere wissenschaftliche Untersuchung.“ Anlage

Bei diesem Vermerk handelt es sich nach Angaben des BMJ um den zweiten der beiden Ministervorlagen, die Grund und Gegenstand der Revision des BMJ waren.

Die Bayrische Staatsministerin der Justiz Frau Dr. Beate Merk hatte mit Schreiben vom 08.03.2006 Frau Zypries im Hinblick auf den Beschluss der Konferenz der Justizminister vom 17./18. Juni 2004 um Auskunft über den Stand Ihrer Prüfung gebeten. Anlage

Dazu hat das BMJ für Frau Zypries unter dem 21.03.2006 einen Vermerk mit dem Entwurf eines Antwortschreibens erstellt, in dem es gegen Ende heißt: „Ich beabsichtige, in dieser Legislaturperiode einen Regierungsentwurf zur Änderung der Vorschriften über die gemeinsame Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vorzulegen.“ In einem weiteren Vermerk vom 21.03.2006 über ein Gespräch des Leiters I A 2 mit dem LM heißt es dann aber: „Dabei teilte mir Herr LM mit, dass Anfragen dieser Art in letzter Zeit überhand genommen hätten. Aus diesem Grund beabsichtige Frau Ministerin, nicht auf diese Anfrage zu antworten. Der Vorgang sei zu den Akten zu nehmen.“ Dem war der gestrichene Entwurf des Antwortschreibens beigefügt. Anlage

Mit Schreiben vom 08.08.2006 fragte Frau Dr. Merk erneut nach. Anlage

Daraufhin hat das BMJ in einem Vermerk vom 28.08.2006 für Frau Zypries einen Vorschlag für ein Antwortschreiben erstellt, in dem es gegen Ende heißt: „Darüber hinaus führt das Bundesministerium der Justiz derzeit eine Umfrage bei beratenden Stellen (Jugendämter, Rechtsanwälte) zum Konfliktpotential der gesetzlichen Regelung durch. Nach Abschluss der vorgenannten Umfrage werde ich Sie gerne über die Ergebnisse informieren.“ Anlage

Und so ist das Schreiben am 31.08.2006 versandt worden. Anlage